Frau Dr. Christina-Maria Leeb referiert am 14. August zu „Auswirkungen der Digitalisierung auf Recht, Rechtsdienstleistungen und die Rechtswissenschaft“

Albach: Frau Dr. Leeb, Sie halten unter anderem Vorträge über die Legal Tech Trends und Themen für die Anwaltschaft.
Wie sieht der Umbruch der Anwaltschaft in diesem Bereich, also Legal Tech, konkret aus? In welchen praktischen Anwendungsfällen sehen Sie die größte Relevanz?
Inwiefern denken Sie, wird sich die Corona-Pandemie in diesem Gebiet auswirken?

Leeb: Meiner Meinung nach werden neue technische Entwicklungen im Allgemeinen und Legal Tech im Besonderen (weiter) enorme Auswirkungen auf die anwaltliche Tätigkeit und – vor allem auch mit Blick auf nichtanwaltliche Anbieter – das Geschäftsmodell von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten haben. Die größte praktische Relevanz im Hinblick auf die Chancen von Legal Tech sehe ich in der Optimierung und Effektivierung eigener Prozesse, d.h. schwerpunktmäßig in der internen Kanzleiarbeit. Das betrifft vor allem etwa die automatisierte Analyse von einer Vielzahl von Dokumenten, z.B. im M&A-Bereich.
Die Corona-Pandemie hat sicherlich vielfach in der Anwaltschaft nochmals das Bewusstsein dafür geschärft, wie wichtig es ist, gerade auch die internen Prozesse zu digitalisieren. Am plastischen Beispiel beschrieben: Häusliche Quarantäne und Aktenführung ausschließlich in Papierform gehen eben nur schwer zusammen.

Albach: Der Deutsche IT-Rechtstag 2020 wird nun auch online übertragen. Generell werden immer mehr Veranstaltungen auf digitalen Plattformen durchgeführt.
Wo wird es – Ihrer Meinung nach – solche Veränderungen nicht geben bzw. wo werden diese flexiblen Lösungen nach Ihrer Einschätzung wieder an Bedeutung verlieren?
In welchen Bereichen Ihrer alltäglichen Arbeit kann auf die persönliche Begegnung nicht verzichtet werden?

Leeb: Ich finde die Lösung, Veranstaltungen in beiden Formaten parallel anzubieten, sehr gut. So können die Teilnehmenden je nach verfügbarem Zeitfenster und in Abhängigkeit vom Veranstaltungsort frei entscheiden, ob sie digital oder analog teilnehmen möchten. Der entscheidende Faktor ist sicherlich – wie in Ihrer zweiten Frage schon anklingt – das Netzwerken, welches dem Menschen als soziales Wesen natürlich im Rahmen der persönlichen Begegnung in aller Regel um ein Vielfaches leichter fällt. Der Schlüssel liegt hier meiner Meinung nach wieder in einer Kombination aus beidem. Gerade die Pflege bereits bestehender Kontakte kann durch den Wegfall von Reisezeit bei bewusster Auswahl von analogen Formaten mitunter gut ins Virtuelle verlagert werden, wohingegen die persönliche Begegnung gerade bei neuen Kontakten essentiell ist.
Grenzen ergeben sich aus meiner Sicht z.B. in Bereichen wie der Mediation, wo es in besonderem Maße darauf ankommt, sich persönlich zu sehen.

Albach: Sie wurden 2018 als „Woman of Legal Tech 2018“ ausgezeichnet, 2019 in das Talentprogramm „Bayerns Frauen in Digitalberufen“ aufgenommen.
Wie würden Sie den Wandel in der Vergangenheit für die Frauen in der IT-Rechtsbranche beschreiben?
Welche Veränderungen wünschen Sie sich diesbezüglich noch für die Zukunft?

Leeb: Solche tollen Programme und Ehrungen wie die Genannten sind eine wunderbare Chance, seine eigenen Themen visibel zu machen und sich mit spannenden und inspirierenden Frauen – und natürlich auch Männern – auszutauschen und zu vernetzen. Dadurch treten für nachfolgende Generationen letztlich auch mögliche weibliche Vorbilder in die Sichtbarkeit, die zeigen: IT-Recht ist – selbstverständlich – auch etwas für Frauen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir genau diesen Weg weiter beschreiten.

Albach: Auf dem Deutschen IT-Rechtstag 2020 werden Sie einen Vortrag über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Recht, Rechtsdienstleistungen und Rechtswissenschaft halten.
Geben Sie uns einen kleinen Einblick in ihren Vortrag? Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, was erwartet die Zuschauer?

Leeb: Die Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet ein hoffentlich spannender Diskussionsanstoß – ausgehend von der Unschärfe des Digitalisierungsbegriffs und der gesamtgesellschaftlichen Relevanz des Themas – über die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Privatrecht und das Öffentliche Recht. Um beispielhaft zwei Aspekte zu nennen: „PayPal Law“ sowie die Diskussion um Legal Tech und der Zugang zum Recht.

Albach: Was sind Ihre persönlichen Erwartungen an den Deutschen IT-Rechtstag 2020; an die Veranstaltung?

Leeb: Ich bin gespannt, über das Generalthema „kollaboratives Arbeiten“ aus unterschiedlichen rechtlichen Facetten noch Neues zu erfahren. Es handelt sich dabei aus meiner Sicht um eines der bedeutendsten Zukunftsthemen, das sicherlich auch durch die Corona-Pandemie noch einmal an Relevanz gewonnen hat – angefangen von der Urform „gemeinsames Arbeiten an einem Dokument“ bis hin zur Auflösung von Sozietäts- und Unternehmensgrenzen.

Albach: Zum Schluss: Welche Projekte haben Sie für die zweite Hälfte des bisher turbulenten Jahres 2020 geplant?

Leeb: Neben einigen neuen Publikationsprojekten freue ich mich ganz besonders darauf, im Wintersemester 2020/2021 eine Lehrveranstaltung an der Universität Regensburg im dortigen, vollständig neu konzipierten LL.M.-Masterstudiengang „Legal Tech“ abhalten zu dürfen. Ich werde dabei vor allem über die berufsrechtlichen Aspekte von Legal Tech im Rechtsberatungsmarkt sprechen. Der weiterbildende Masterstudiengang ist dabei auf die Vermittlung anwendungsbezogenen Wissens fokussiert und setzt entsprechende Berufserfahrung voraus.

Albach: Vielen Dank für das Interview und Ihre Zeit.

Dr. Christina-Maria Leeb
referiert am 14. August zu „Auswirkungen der Digitalisierung auf Recht, Rechtsdienstleistungen und die Rechtswissenschaft“ und äußert in unserem Interview unter anderem auch ihre persönliche Einschätzung zu den neuesten technischen Entwicklungen des Deutschen IT-Rechtstages 2020.

Im Gespräch mit Charlotte Albach – studentische Hilfskraft bei HK2 Rechtsanwälte