Agile IT-Projekte – Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung – davit im Interview mit Dr. Tobias Sedlmeier,

Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht, Sedlmeier / Dihsmaier, Heidelberg

Bernhard Hörl, davit: Wie und wann kam Tobias Sedlmeier zum IT-Recht? Und was daran macht bis heute den meisten Spaß an dem Rechtsgebiet?

Tobias Sedlmeier, Referent ITRT KA: Das Thema IT ist eine große Leidenschaft von mir: Bereits in der Grundschule verbrachte ich mit Freunden Stunden vor deren Atari 2600. Ich hatte zudem das große Glück, dass mein Gymnasium bereits Anfang der 80er Jahre einen voll ausgestatteten Computer-Raum hatte. Dort konnte ich erste Coding-Erfahrungen sammeln. Anschließend jobbte ich regelmäßig, um mir sukzessive verschiedene Homecomputer und PCs anschaffen zu können. An der Uni arbeitete ich an einem der ersten Lehrstühle Deutschlands, die sich mit IT-Recht beschäftigten – damals „Informationsrecht“ genannt.>

So war bei mir der Weg ins IT-Recht naheliegend – und auch sehr kurz.

Ich würde mich allerdings nicht als klassischen IT-Rechtler bezeichnen, da wir in unserer Kanzlei weniger auf das Rechtsgebiet spezialisiert sind, als vielmehr branchenweit auf die Beratung von IT-Unternehmen. Wir betreuen unsere Mandanten daher nicht nur im Bereich IT/IP, sondern auch auf anderen Gebieten, bei denen unserer Branchen-Know-how nützlich ist. Diese Vielfalt macht für mich den Reiz meiner Tätigkeit aus.

Bernhard Hörl, davit: Woran erkenne ich als Anwalt ein agiles Projekt? Und warum muss ich überhaupt wissen, welcher Methodik ein Projekt folgt, für das ich einen Vertrag gestalten soll? Ist das nicht nur für Streitfälle vor Gericht relevant?

Tobias Sedlmeier, Referent ITRT KA: Es gibt gewollt agile Projekte und Projekte, bei denen den Beteiligten die Agilität zunächst gar nicht bewusst ist, insbesondere dem Auftraggeber. Das bedeutet – wie immer in der anwaltlichen Praxis –, die frühzeitige Aufklärung des Sachverhalts, v.a. der Intentionen der Parteien, ist ganz entscheidend. Vereinfacht gesagt ist jedes Projekt, bei dem die Beteiligten nicht vorab die gesamten Projekt-Anforderungen des Auftraggebers evaluieren und dokumentieren, agil oder zumindest teil-agil. 

Ist den Beteiligten dies bewusst und wissen sie, nach welcher agilen Methode sie arbeiten möchten, so ist es die Aufgabe des Beraters, diese Methode im Vertrag umzusetzen, aber auch zu modifizieren, soweit rechtlich oder wirtschaftlich erforderlich bzw. sinnvoll. Derartige Modifikationen muss der beratende Anwalt den Beteiligten dann auch so kommunizieren, dass sich auch die Anhänger der „reinen agilen Lehre“ mitgenommen fühlen.

Bernhard Hörl, davit: Agile Projekte – manche sagen ja, da bräuchte man überhaupt keine ausgefeilten Verträge mehr, weil Aufgaben und Verantwortung der Beteiligten sich im Alltag viel schneller ändern, als Verträge angepasst werden können. Ist was dran an dieser provokanten These?

Tobias Sedlmeier, Referent ITRT KA: Wer schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, im Streitfall eine Partei eines agilen Projekts zu vertreten, bei dem nach dieser These verfahren wurde – und das Projekt ohne sauberen Vertrag startete, sondern nur auf der Basis informeller Absprachen, „selbstgebastelten“ Dokumenten oder Ähnlichem, der weiß, dass dies eine sehr steile These ist.  

Die These basiert vielmehr auf einer falschen Prämisse: Der Projektvertrag im agilen Projekt soll gerade nicht kleinteilig namentlich benannten Projektbeteiligten Aufgaben oder Verantwortlichkeiten zuweisen. Denn das würde eventuell sogar ungewollt Arbeitnehmerüberlassungsthemen aufbringen. Vielmehr muss der Vertrag die von den Parteien gewollte Methode abbilden und dabei antizipieren, falls sich Rollen ändern können.

Die vertragliche Abbildung der Methode mit Einzelheiten zum Ablauf in den Teilabschnitten des agilen Projekts (den Sprints) sowie die Aufnahme von Regelungen zur Vergütung und Rechteverteilung an den Arbeitsergebnissen sind für die Konflikt- und Risikovermeidung essenziell. Denn nur durch gut durchdachte Regelungen zu diesen Themen lassen sich Minenfelder wie Kostenexplosionen, Arbeitnehmerüberlassung, Miturheberschaft, unklare Rechtsfolgen bei Mängeln, aber auch steuerliche Risiken vermeiden.

Bernhard Hörl, davit: Was muss ich für die anwaltliche Praxis wissen, bevor ich zu einem agilen Projekt berate? Muss ich dafür die agile Projektmethodik selbst beherrschen und womöglich noch programmieren können?

Tobias Sedlmeier, Referent ITRT KA: Coding-Kenntnisse sind für IT-Rechtler immer sinnvoll, aber für die Beratung bei agilen Projekten nicht zwingend erforderlich.

Grundkenntnisse in agilen Projektmethoden sind in jedem Fall ratsam, zum einen, um die von den Beteiligten jeweils gewollte Methode abfragen und im Vertrag umsetzen zu können, zum andern aber auch deshalb, um den in agilen Projekten oft stark abweichenden „Projekt-Sprech“ zu verstehen.

Aus meiner Sicht unerlässlich ist die Vertrautheit mit den rechtlichen Hauptrisiken agiler Projekte – dazu dann mehr beim Karlsruher IT-Rechtstag am 26.03.2022.

Bernhard Hörl, davit: Vielen Dank für das Gespräch – und wir freuen uns schon auf den Vortrag zu einem sehr spannenden hochaktuellen Thema!

Dr. iur. Tobias Sedlmeier, RA, FA IT-Recht, Referent: Agile IT-Projekte – Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung

Dr. Bernhard Hörl, RA, FA IT-Recht, davit GFA