Green IT – Aktuelle Vorgaben für Energieeffizienz und Energieeinsparungen in IT-Abteilungen und Rechenzentren
Im Gespräch mit Dr. Franziska Lietz
Romina Lange: Frau Dr. Lietz, in Bezug auf Ihr Vortragsthema zum 10. Deutschen IT-Rechtstag, das sich mit der „Green IT“ beschäftigen wird, stelle ich eine etwas persönlichere und alltagsnahe Frage voran: Spielt „Green IT“ auch bei Ihrer IT-Ausstattung eine Rolle und auf welche Aspekte legen Sie beim Kauf Wert? Können Sie konkrete Tipps geben, worauf man bei der Kaufentscheidung achten könnte?
Dr. Franziska Lietz: In meiner Firma Omnics Technologies Pvt. Ldt. und BitKollegen GmbH, mit denen ich zusammen mit meinen Co-Foundern in Hyderabad, Indien, verantwortungsbewusstes IT-Outsourcing anbiete, achten wir darauf, Geräte nach neuesten und europäischen Standards zu verwenden, die über aktuelle Labels und Zertifizierungen (z. B. Energy Star) verfügen. Darüber hinaus planen wir aktuell eine PV-Anlage auf dem Dach unseres Büros, welche sämtliche Stromverbräuche der eingesetzten IT abdecken soll. Insofern ist es unser Ziel, langfristig sämtliche Dienstleistungen vollständig auf Basis von Ökostrom zu erbringen. Bei der Softwareentwicklung selbst legen wir Wert darauf, performante und minimalistische Software zu entwickeln, die möglichst wenige Kapazitäten in Rechenzentren und möglichst geringe CPU-Leistung erfordern.
Romina Lange: Können Sie, ohne bereits zu viel über Ihren Vortragsinhalt zu verraten, kurz erklären, wofür der Begriff „Green IT“ steht?
Dr. Franziska Lietz: Der Begriff ist gesetzlich nicht definiert, aber ich kann eine Definition versuchen. Unter „Green IT“ dürfte insbesondere zu verstehen sein:
- Ressourcenschonende Hardware
- Ressourcenschonende IT-Prozesse (z. B. Thin Clients, Cloud-Nutzung)
- Softwareeinsatz zum Zwecke der Energieeinsparung (z. B. intelligente Steuerung von Maschinen, Energiemanagementsysteme)
- Betrieb von Hardware mit Erneuerbaren Energien.
Romina Lange: Bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass schon im Jahr 2008 eine Messe stattgefunden hat, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Green IT“ beschäftigt hat. Hat es, Ihrer Einschätzung nach, seither viele Entwicklungen im Bereich der „Green IT“ gegeben?
Dr. Franziska Lietz: Aus meiner Sicht ist das Thema seit der Cebit 2008 nur punktuell vorangekommen. Dafür nimmt es aktuell vor dem Hintergrund von Energie- und Klimakrise wieder richtig Fahrt auf.
Romina Lange: Corporate Social Responsibility (CSR) ist im Rahmen der Unternehmensführung schon ein gängiges Konzept. Nun bin auf den jüngeren Begriff Corporate Digital Responsibility gestoßen. Welchen Stellenwert wird oder sollte nachhaltige bzw. grüne IT Ihrer Meinung nach im unternehmerischen Kontext einnehmen? Können Sie uns Einsichten aus Ihrer Beratungspraxis geben, inwiefern dieses Bewusstsein für Nachhaltigkeit im IT Bereich gewachsen, oder möglicherweise auch nicht genug gewachsen, ist?
Dr. Franziska Lietz: Wie Sie in meinem Vortrag sehen werden, gibt es aktuell noch nicht allzu viele bindende gesetzliche Vorgaben, nachhaltige / grüne IT einzusetzen. Das bedeutet, dass sich das Thema aktuell vor allem im Bereich von freiwilligen bzw. von Lieferanten geforderten Zertifizierungen und Standards abspielt.
Ich gehe aber davon aus, dass sich das kurzfristig ändern wird. So enthält der Referentenentwurf für das EnEfG (Energieeffizienzgesetz) auf Basis der EU-Energieeffizienzrichtlinie von 2018 zum ersten Mal ganz dezidierte und weitreichende Vorgaben für die Nutzung von Abwärme und den Einsatz von Ökostrom in Rechenzentren. Darüber hinaus ist auf EU-Ebene ein Lieferkettenrechtsakt auf dem Weg, der, anders als das deutsche LkSG (Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz), auch Umwelt- und Klimaaspekte in die Lieferantenprüfung einbeziehen wird. Aus meiner Sicht wird dies der Startschuss sein, dass z. B. IT-Dienstleister künftig verstärkt auf Nachhaltigkeit, aber auch auf soziale Aspekte, achten müssen.
Romina Lange: Die EU plant eine Novellierung der Energieeffizienzrichtlinie. Da Sie sich in ihrer Beratungspraxis auch schwerpunktmäßig im Energierecht bewegen, interessiert mich Ihre Einschätzung dazu. Glauben Sie, dass eine große Welle an Neuregelungen kommen wird? Können Sie Bereiche nennen, in denen z. B. Unternehmen schon jetzt handeln könnten, um möglichst gewappnet zu sein?
Dr. Franziska Lietz: In dem Vorschlag für eine Neufassung der Energieeffizienzrichtlinie wird tatsächlich in den Erwägungsgründen angesprochen, dass auf den Informations- und Kommunikationstechnologiesektor (IKT-Sektor) 5 – 9 % des weltweiten Stromverbrauchs und mehr als 2 % aller Emissionen entfallen. Es wird zudem auf die Digitalstrategie der Union verwiesen, in der bereits niedergelegt ist, dass in Zukunft hochgradig energieeffiziente und nachhaltige Rechenzentren, sowie Transparenzmaßnahmen in Bezug auf den ökologischen Fußabdruck von Telekommunikationsbetreibern, erforderlich sind. Letztlich kommen aber inhaltlich kaum zusätzliche bindenden Neuerungen. Einzig soll eine Verpflichtung zur Überwachung der Energieeffizienz von Rechenzentren eingeführt werden, um in der Folge bestimmte „Nachhaltigkeitsindikatoren für Rechenzentren“ festlegen zu können.
Romina Lange: Ihr Lebenslauf lässt vermuten, dass Sie ein Faible für Umwelt, Energie und Technik haben. Stimmt das und braucht man, Ihrer Erfahrung nach, zusätzliches Know-how, um in diesen „technischeren” Rechtsgebieten Fuß fassen zu können? Falls ja, was für Tipps können Sie insbesondere Studierenden oder Berufseinsteigern und Berufseinsteigerinnen geben?
Dr. Franziska Lietz: Naja, es gilt ja das Klischee, dass Juristen und Ingenieure/Techniker nicht miteinander reden können. Das kann ich nicht unbedingt bestätigen, aber ich bin ja von Beginn meiner juristischen Laufbahn in techniklastigen Rechtsgebieten unterwegs und habe – z. B. am Energieforschungszentrum Niedersachsen – viel mit interdisziplinären Teams gearbeitet. Was dabei hilft ist sicherlich, sich gegenseitig zuzuhören und jede Chance wahrzunehmen, sich technisch komplexe Sachverhalte erläutern zu lassen. Hiervon sollte man sich auf keinen Fall abhalten lassen, weil man fürchtet, Unwissenheit preiszugeben. Auf der anderen Seite sollte man als Jurist auch bewusst versuchen, in der Kommunikation mit anderen Fachrichtungen eine praxisnahe Sprache zu verwenden.
Für jüngere Kollegen ist es, meiner Meinung nach, wichtig, dass sie sich auch wirklich für das Thema interessieren, sonst ist der Arbeitsalltag langfristig einfach zäh. Ich selbst hätte z. B. nicht wirklich Freude an komplexen Blockchain- und Crypto-Sachverhalten, einfach, weil das nicht meine Welt ist. Beim Energierecht ist das immer anders gewesen, da haben mich die Zusammenhänge wirklich interessiert, z. B. wie funktioniert ein Umspannwerk oder welche Prozesse spielen sich in einer Biomasseanlage ab?
Romina Lange: Wann hat sich Ihr Interesse für das Umweltrecht gezeigt? Wussten Sie im Studium schon, dass Sie gern in diesem Rechtsgebiet arbeiten wollen oder gab es eine ganz bestimmte Station oder Situation in Ihrem beruflichen Werdegang, die für Sie richtungweisend war?
Dr. Franziska Lietz: Das ist eigentlich ganz einfach und hat mehr mit Zufällen zu tun. Während meines Studiums habe ich vormittags als Assistentin einer Anwaltskanzlei – einer Boutique für spezielle energierechtliche Themen, sog. Contracting-Verträge, – gearbeitet. Daher hatte ich im Prinzip schon seit 2005 in einem energierechtlich geprägten Umfeld zu tun. Einer der Anwälte aus dieser Kanzlei war zudem Lehrbeauftragter an der Universität Lüneburg im Umweltrecht-LLM-Masterstudiengang. Das habe ich dann auch mitgenommen zwischen meinem Freischuss und einem Verbesserungsversuch. Und da war damit die Fachrichtung dann vorgegeben.
Romina Lange: Sie führen unter anderem einen Newsblog mit Beiträgen zu umweltrechtlichen Themen. Wie viel Zeit stecken Sie in diese Tätigkeit und inwiefern bringt sie Ihnen Vorteile für Ihre Beratungspraxis?
Dr. Franziska Lietz: Bei RGC haben wir die RGC Manager App und die RGC Manager Web-Software, in welchen für unsere Mandanten die relevanten Themen aus dem Energie-, Umwelt- und Energierecht praxisnah dargestellt werden. In der App werden energierechtliche Themen zudem als Newsblog aufbereitet. Das erfordert eine konstante Befassung mit neuen Themen aus diesen Bereichen, eben nicht nur in Bezug auf konkrete Mandate. Ich sehe dies natürlich als Akquise-Tätigkeit für die Kanzlei, aber auch als Vehikel bzw. als Chance, sich mal in ein Thema einzuarbeiten. Bei der RGC Manager Web-Software handelt es sich um ein Software-Lösung, innerhalb derer Mandanten Ihre Rechtspflichten im Energie- und Umweltrecht in Workflows managen können, also um eine Form von Legal Tech. Mit der Software halte ich regelmäßige Rechtsworkshops bei meinen Mandanten ab.
Romina Lange: Außerdem habe ich gesehen, dass Sie promoviert haben und in der Vergangenheit an unterschiedlichen Forschungsprojekten beteiligt waren. Was haben Sie für sich aus dieser Zeit mitgenommen, das Ihnen heute noch im Beruf hilft? Welchen Stellenwert hat das wissenschaftliche Arbeiten für Sie aktuell noch?
Dr. Franziska Lietz: Gegenüber meinen sonstigen Tätigkeiten musste die wissenschaftliche Tätigkeit in den letzten Jahren leider sehr zurückstecken. Nach meiner Dissertation hatte ich ursprünglich geplant, zu habilitieren, habe dies dann aber nach den ersten Konzepten verworfen, weil ich gemerkt habe, dass die praxisnahe Tätigkeit als Rechtsanwältin mir mehr Freude bereitet (wobei hierzu auch weiterhin die Beteiligung an – praxisnahen – Forschungsprojekten zählt). Vor eineinhalb Jahren bin ich dann noch einen Schritt weiter in Richtung Praxis gegangen und habe mit meinen Co-Foundern mein erstes eigenes IT-Unternehmen in Hyderabad, Indien, gegründet. Im Januar 2023 kam das zweite Unternehmen, BitKollegen, diesmal in Deutschland, hinzu. Da es sich beim Aufbau eines Startups um eine recht zeitintensive Sache handelt, komme ich kaum noch dazu, mich über die anwaltliche Tätigkeit hinaus wissenschaftlich vertieft mit juristischen Sachverhalten zu befassen. Aber ich denke, das ist dann auch irgendwie der Lauf der Dinge. Gerade in solchen schnelllebigen Rechtsgebieten, wie Energie- oder IT-Recht, muss man mit der Zeit gehen, Informationen schnell verarbeiten, schnell Content produzieren und sich ständig updaten.
Romina Lange: Vielen Dank für das Interview.
Dr. Franziska Lietz, LL.M., Ritter Gent Collegen, Hannover
Romina Lange, studentische Mitarbeiterin HK2 Rechtsanwälte