Metaverse – Neue Herausforderung für die anwaltliche Beratung

Im Gespräch mit Herrn Dr. Jonas Jacobsen

Transparenzhinweis: Dr. Jonas Jacobsen arbeitet als Rechtsanwalt bei HK2 Rechtsanwälte. Das Interview führt Romina Lange, studentische Mitarbeiterin bei HK2 Rechtsanwälte.

Romina Lange: Jonas, Du wirst am 9. Deutschen IT-Rechtstag einen Vortrag zum Thema „Metaverse – Neue Herausforderung für die anwaltliche Beratung“ halten. Kannst Du, ohne schon zu viel vorweg zu nehmen, einen kleinen Vorgeschmack geben, worum es gehen wird?

Dr. Jonas Jacobsen: Das Metaverse ist derzeit ja eher eine Utopie, zu der es in der Vergangenheit immer mal wieder ganz verschiedene Umsetzungsansätze gab. Letztlich beschreibt das Metaverse eine digitale Parallelwelt. Im Kleinen stellt jedes Computer-Rollenspiel eine Art Metaverse dar. Facebook bzw. Meta hat diese Idee also nicht erfunden, sondern letztlich nur wieder aufgegriffen. Es ist auch völlig unklar, ob es sich generell durchsetzt und wenn ja, ob es Facebook bzw. Meta ist, deren Metaverse sich am Ende behauptet. Vielleicht gibt es auch mehrere parallele Metaversen oder das Ganze gelangt nie über den jetzigen Status einer spannenden Idee hinaus.
Es ist aber durchaus interessant, sich zu fragen, welche IT-rechtlichen Herausforderungen mit einem Metaverse einhergehen würden. Wir gehen etwa davon aus, dass die Blockchain-Technologie eine zentrale Rolle in einem Metaverse einnehmen wird. Die sich bereits jetzt in diesem Zusammenhang stellenden Fragen müssten also für ein funktionierendes Metaverse gelöst werden. Wie will man z. B. das Recht auf Löschung innerhalb einer Technologie umsetzen, die auf Unveränderbarkeit ausgelegt ist?

Romina Lange: „Second Life“ wird auch als Vorreiter des Metaverse beschrieben. Man könnte also meinen, dass es schon vor einigen Jahren den Grundstein dafür gelegt hat, sich aus rechtlicher Perspektive auf derartige Technologien einstellen und vorbereiten zu müssen. Kannst Du konkrete Szenarios oder Rechtsfragen beschreiben, die im Zusammenhang mit einem Metaverse in deinen Augen für die Rechtsberatung herausfordernd sein könnten?

Dr. Jonas Jacobsen: In einem Metaversum werden Nutzer potenziell viel Zeit verbringen. Während dieser Zeit fällt eine unglaubliche Menge an Daten an. Zu denken ist hier an die Übertragung von Gesichtsausdrücken genauso wie Körpermesswerte wie z. B. der Pulsschlag oder ähnliches. Aber auch Daten, die unmittelbar Rückschlüsse auf Kaufinteressen der Nutzer geben. Wenn Sie sich mit ihrem Avatar durch eine Einkaufsstraße im Metaversum bewegen, ist unmittelbar messbar, vor welchen Schaufenstern sie wie lange verweilen. Wir werden uns dann aus rechtlicher Sicht verschiedenste Fragen stellen müssen: Ist die DSGVO anwendbar? Wer stellt sicher, dass die Datenverarbeitung mit angemessenen Maßnahmen geschützt wird? Wer ist für die Einholung möglicher notwendiger Einwilligungen verantwortlich? Und so weiter…

Romina Lange: Die Transformation des IT-Rechts geht damit einher, dass sich auch das Arbeitsumfeld stetig verändert und man als beratender Rechtsanwalt darauf reagieren können muss. Was heißt das, Deiner Ansicht nach, für die anwaltliche Beratungspraxis? Was ist heute zentral und was wird in der Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen?

Dr. Jonas Jacobsen: Es gibt sicher viele Rechtsgebiete, in denen sich weniger ändert. Das IT-Recht hält letztlich ja nur Schritt mit dem wahnsinnigen Tempo an technologischem Fortschritt. Für die Beratungspraxis bedeutet das aus meiner Sicht ganz konkret, dass der Anwalt selbst bis zu einem gewissen Maß solche neuen Technologien verstehen und einordnen können muss. Wenn man eine gewisse Technikaffinität mitbringt, kann das große Freude bereiten.

Romina Lange: Du arbeitest nun seit etwas mehr als einem Jahr bei HK2 als Rechtsanwalt mit dem Themenschwerpunkt geistiges Eigentum, IT-Recht und Datenschutz. Du hast Dich für Deinen Berufseinstig dazu entschieden, in einer Kanzlei mit dem Fokus IT-Recht anzufangen. Kannst Du uns erzählen, was Dich dazu motiviert hat?

Dr. Jonas Jacobsen: Für mich war klar, dass ich erste berufliche Erfahrungen in einer Kanzlei in diesem Rechtsgebiet sammeln möchte, um die Schwerpunktsetzung aus meiner Ausbildung fortzusetzen.
Bereits während meines Studiums und auch danach im Zuge der Promotion habe ich den Schwerpunkt im IP-Recht gesetzt. IP- und IT-Recht sind aus meiner Sicht in der modernen Rechtsberatung untrennbar miteinander verbunden. Es wird wenig digitale Projekte geben, in denen nicht Themen aus beiden Bereichen ganz wesentlich tangiert sind.

Romina Lange: Du hast bereits im Rahmen Deines Referendariats Erfahrungen in anderen Kanzleien gemacht. Darüber würde ich gerne mehr erfahren – inwiefern haben Dir Deine Erfahrungen bei Deinem Berufseinstieg als Rechtsanwalt in unserer Kanzlei geholfen? Gibt es Tipps, die Du anderen Berufseinsteigern geben kannst?

 

Dr. Jonas Jacobsen: Das Referendariat mit Anwalts- und Wahlstation bietet gute Möglichkeiten verschiedene Kanzleimodelle auszuprobieren. Mir hat es sehr geholfen während dieser Zeit ganz bewusst auch Berufswege und Rechtsgebiete auszuprobieren, die ich auf den ersten Blick nicht unbedingt reizvoll fand. So habe ich Stationen beim Polizeipräsidenten und im Gesellschaftsrecht in einer Großkanzlei belegt. Beides Bereiche, die erstmal keine natürliche Anziehungskraft auf mich ausübten. Das war dennoch aber super interessant. Der tatsächliche Mehrwehrt lag darin, dass es meine Entscheidung, langfristig auf das IP/IT-Recht zu setzen, bestärkt hat.
Ansonsten war und ist meine Strategie, mir zunächst darüber klar zu werden, wie mein Karriereplan aussieht, wo ich mich mittel- und langfristig hin entwickeln möchte, um im Anschluss daran die dazu bestpassendste Kanzlei auszuwählen.

Romina Lange: Bei Dir liegt die universitäre Zeit noch nicht allzu lang zurück und Du hast dich im Rahmen Deiner juristischen Ausbildung auch dafür entschieden, zu promovieren. Kannst Du Studierenden, die sich für IT-Recht und das Thema Datenschutz besonders interessieren, Empfehlungen für ihre berufliche Laufbahn geben? Würdest Du Dir wünschen, dass die juristische Ausbildung auf bestimmte Aspekte mehr Fokus legt oder sollte sie sich Deiner Ansicht nach in bestimmten Bereichen verändern?

Dr. Jonas Jacobsen: Ich bin ein Verfechter der Ausbildung zum „Volljuristen“ und überzeugt, dass eine überzogene Spezialisierung während der Ausbildung zu Lasten des Gesamtverständnisses geht. Genau das dürfte aber die wichtigste Voraussetzung für jeden Juristen sein. Spezialwissen kommt doch im Zuge einer spezialisierten Beratungspraxis letztlich ganz von allein.

Eine gesunde Schwerpunktsetzung im Rahmen der Ausbildung – wie ich es auch selbst getan habe – ist aber in jedem Fall sinnvoll und erhöht in der Regel auch einfach den Spaß an der Ausbildung. Was ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor sein dürfte.

Ob man promoviert, einen LL.M. macht oder direkt nach dem zweiten Examen ins Berufsleben startet – jeder Weg hat seine Vor- und Nachteile. Hier würde ich jedem raten, sich ganz bewusst mit den eigenen mittel- und langfristigen beruflichen Zielen auseinanderzusetzen und sich zu fragen, welche Variante ihn diesen Zielen tatsächlich näherbringt. Daneben kann ein LL.M. im Ausland oder 2-3 Jahre verlängertes Studentenleben durch eine Promotion aber auch einfach viel Spaß machen. Gerade bei der Promotion würde ich mich fragen, ob mir während des Studiums Hausarbeiten und Studienarbeiten Spaß bereitet haben. Das ist in der Regel ein guter Indikator.

Romina Lange: Mit der Auswahl Deines Vortragsthemas greifst Du eine revolutionäre Technik auf. Verbringst Du auch privat gerne Zeit damit, Dich mit den neusten technologischen Innovationen zu beschäftigen oder was machst Du sonst gern nach dem Feierabend?

Dr. Jonas Jacobsen: Ob die Technik hinter einem Metaverse wirklich das Attribut revolutionär verdient hat, würde ich bezweifeln. Virtual-Reality-Brillen, Blockchain-Technologie, 3D-Grafik – die wesentlichen Bausteine für ein Metaverse sind längst entwickelt. Die eigentliche Frage ist doch, inwieweit wir bereit sind, die uns zur Verfügung stehende Zeit in der „echten“ Welt gegen Zeit im Metaverse einzutauschen.
Ich persönlich tauche durchaus gerne in nerdige Computerwelten ab. Ich habe mir schon als 12-jähriger meine eigenen Desktop-PCs zusammengeschraubt. Sowas mache ich bis heute gerne. Ich bin außerdem überzeugter GNU / Linux-Nutzer. Vor kurzem habe ich mir ein Raspberry-Pi zugelegt und mir damit meine eigene Home-Cloud gebastelt. Datenschutzrechtlich ein Traum, aber auch gut geeignet, um mehr oder weniger sinnvoll seine Zeit zu „verdaddeln“.

Romina Lange: Vielen Dank Dir für die interessanten Einblicke und für Deine Zeit!

Dr. Kristina Schreiber

Dr. Jonas Jacobsen, Rechtsanwalt, HK2 Rechtsanwälte

Charlotte Albach

Romina Lange, studentische Mitarbeiterin HK2 Rechtsanwälte