Wie macht Knowledge Engineering „dumme KI“ schlauer?

Interview mit Dr. Mathias Landhäußer

Alexandra Stojek, davit: Lieber Mathias, am 26.03.2022 findet der 18. Karlsruher IT-Rechtstag statt, der von meinem Kollegen Dr. Bernhard Hörl und mir organisiert wird und bei dem du referieren wirst. Lass mal ausprobieren, ob es uns gelingt, schriftlich ein Gespräch zu führen.

Dr. Mathias Landhäußer: Hallo Alexandra, gerne machen wir das so – ich muss nur aufpassen, dass sich das am Ende nicht liest, wie ein Chat 🙂

Alexandra Stojek, davit:Mathias, stell dich doch mal kurz vor.

Dr. Mathias Landhäußer: Gerne. Ich bin Mathias, 38, bin verheiratet und habe zwei Kinder. In meiner Freizeit arbeite ich bei thingsTHINKING daran, dokumentgetriebene Prozesse mit Software zu unterstützen. Oft empfinde ich schon die Prozesse selbst als zu umständlich (oder gar archaisch), aber da es keinen Schalter gibt, den man nachts mal eben umlegen kann, denke ich gerne über mögliche Verbesserungen nach, die man direkt umsetzen kann. Wenn ich ‘dokumentgetrieben’ sage, meine ich keine Checklisten oder Formulare, sondern Textdokumente usw. Daher beschäftige ich – mich aus Sicht eines Informatikers – mit künstlicher Intelligenz.

Alexandra Stojek, davit: Mit deinem “Hobby” triffst du einen empfindlichen Nerv der Rechtsdienstleistungsbranche und daher freue ich mich, dass du beim IT-Rechtstag referieren wirst. Dein Vortragstitel lautet “Knowledge Engineering – Einblicke in den Praxiseinsatz einer KI. Was verstehst du unter “knowledge Engineering” und warum lohnt es sich, Dir zuzuhören (ohne jetzt schon zu viel vom Inhalt zu verraten)?

Dr. Mathias Landhäußer: Ach, das ist relativ einfach: KI ist dumm. Punkt. Die Aufgabe, die wir Informatiker haben, ist schlicht: sie trotzdem möglichst clever aussehen zu lassen und die Kernfrage ist immer, wie das geht. Am Ende läuft es dann darauf hinaus, dass wir der KI unser Wissen (besser: das des jeweiligen Fachexperten) beibringen müssen und das möglichst effizient. Denn das typische Annotieren von Beispieldaten für maschinelles Lernen ist das nur bedingt. Deswegen sind wir immer auf der Suche nach besseren Methoden für das Training. Eine “perfekte” KI wäre ja verständig wie eine echte Kolleg:in und dabei proaktiv. Ihr würde man ja auch nicht einen Aktenstapel mit Haftnotizen überreichen mit der Bitte, selbst ein Muster zu finden – wir würden anhand von einigen wenigen Beispielen erklären worauf es ankommt. Und dann sind wir eben beim Knowledge Engineering: wie können wir das Wissen so aufbereiten, dass es ideal aufgenommen werden kann und wir möglichst wenig Arbeit damit haben.

Alexandra Stojek, davit: Diejenigen, die das jetzt lesen, fragen sich vielleicht, ob sich dein Vortrag um die Entmystifizierung des LegalTech-Hypes dreht oder um die Abschaffung von Aktenstapel und Haftnotizen, die sich vermutlich in fast jeder Kanzlei finden. Lass das mal auflösen und  auf den zweiten Aspekt deines Vortrags kommen: “Einblicke in den Praxiseinsatz einer KI”. Was für ein Einsatzgebiet meinst du?

Dr. Mathias Landhäußer: Naja, es ist ein bisschen von beidem 😉 Zum ersten kochen alle nur mit Wasser – und bei den allermeisten kocht es bei 100°C. Andererseits geht mit Technologie heute schon viel mehr, als man sich allgemein vorstellt. Wir sind hier ja bei LegalTech und da müssen wir erstmal weg vom physischen Papier und den Haftnotizen, Stichwort: Digitalisierung. Wenn das geschafft ist, können wir sanft mit LegalTech anfangen und bspw. etwas aufziehen wie flightright. Dafür braucht man einen gut durchdachten digitalen Prozess und eine direkte Anbindung einer Druckstraße 😉
Wenn man aber umfangreiche, komplizierte Schriftsätze bearbeiten möchte, braucht man ein bisschen mehr. Und da kommt dann die KI ins Spiel. Unglücklicherweise ist KI erstmal nur eine Sammlung von Verfahren und keine konkrete Lösung. Daher muss man der KI beibringen, was sie tun soll und dieses Wissen muss man entsprechend aufbereitet haben (oder eben noch aufbereiten). Auf dem Weg zu einer erfolgreich eingesetzten KI gibt es einige Hindernisse, die ich in meinem Vortrag aufgreifen möchte.

Alexandra Stojek, davit: Ein Hindernis ist wohl auch, dass mit Informatik und Rechtswissenschaften zwei Welten aufeinanderprallen. Meinem Eindruck nach fehlt es da noch an Interdisziplinarität. Was ist deine Erfahrung dazu und was denkst du, hilft um das zu verbessern?

Dr. Mathias Landhäußer: Ja, das sind wirklich zwei Welten. Ich fühle mich in beiden recht wohl – aber ich bin Informatiker und on top ein Jurastudium mit StEx ist wohl eher nicht drin. Dass es in der Juristerei auf Details ankommt, können wir Infos sehr gut verstehen. Aber die Arbeitsweise der beiden Stereotypen liegen schon sehr weit auseinander. Hinzu kommt unser Selbstverständnis, dass man mit Software alle Probleme lösen kann – und in der Theorie ist das sicher auch richtig. Dass dann in der Realität Prozesse hinzukommen oder Anforderungen, die auf den ersten (oder auch zweiten Blick) keinen praktischen Nutzen bringen, macht es manchmal schwer – oder eben, dass man nicht einfach auf den Dokumenten aller Mandanten eine KI trainieren darf, das ist schon sehr ärgerlich.

Was würde helfen? Interdisziplinarität, wie du vorschlägst, ist sicher gut – denn die meisten Informatiker können so gut einschätzen, was Juristen brauchen, wie die meisten Juristen einschätzen können, was heute mit Technologie möglich ist und was nicht. Wenn dann noch jemand im Team ist, der das ganze unternehmerisch begleitet – Stichwort: kurz- und langfristige Rentabilität – dann wird ein Schuh d’raus. Und ganz wichtig: Die Fachexperten am Ende “ins Boot holen”, ist zu spät. Viele Probleme lassen sich nur lösen, wenn Fach- und Softwareexperten Hand in Hand zusammenarbeiten und sich gegenseitig inspirieren. Das ist aber meine Einschätzung zu AnyTech und keine Besonderheit von LegalTech.

Alexandra Stojek, davit: Dann sind wir mal gespannt, ob der Karlsruher IT-Rechtstag etwas dazu beitragen kann. Ich freue mich als Moderatorin, dass du dabei sein wirst!

Dr. Mathias Landhäußer: Ich mich auch! Bis dahin…

Dr. Mathias Landhäußer, Referent: Knowledge Engineering – Einblicke in den Praxiseinsatz einer KI

Alexandra Milena Stojek, LL.M., RAin, FA IT-Recht, davit Gebietsleiterin Südwest