IT-Rechtsanwälte/-innen im Spiegel der Daten – Analyse des Fachgebiets mit Mitteln der Statistik
Im Gespräch mit Herrn Stefan Grub
Charlotte Albach: Herr Grub, Sie haben vor über 13 Jahren Cogens Executive Search gegründet, ein Unternehmen, das sich unter anderem auf die Personalvermittlung von Jurist*innen und Marktanalysen von juristischen Fachbereichen spezialisiert. Wie entstand Ihr Interesse für diese Themengebiete nach dem Jurastudium und was macht Ihnen daran besonders Spaß?
Stefan Grub: Ich habe selbst sehr gerne als Anwalt, Unternehmensjurist und später Manager gearbeitet und dabei – anders als manche – die Gewinnung von neuen Mitarbeitenden als sehr interessante und lohnende Aufgabe empfunden. Als dann die familiären Umstände nahelegten, dass die „Wanderjahre“ vorbei waren, habe ich mich als selbständiger Personalberater auf die Felder spezialisiert, die ich aus eigener Erfahrung kannte. Die Marktanalysen sind dann sozusagen ein Hobby im Rahmen dieser Tätigkeit – dort kann ich persönliche Eindrücke aus Gesprächen mit meiner Vorliebe für die die Analyse von Zahlenwerken verbinden.
Charlotte Albach: Laut Ihrer Marktanalyse des Fachbereichs IT-Recht von 2022 arbeitet fast jede*r 4. IT-Rechtler*in in Berlin. Wie können Sie sich das erklären? Wie schätzen Sie diesbezüglich die zukünftige Entwicklung ein? Wird sich weiterhin so viel oder sogar noch mehr in Berlin abspielen oder ist vielleicht eine stärkere Verteilung zu erwarten?
Stefan Grub: Ich denke, dass verschiedene Faktoren zusammenspielen – eher allgemeine wie die Anziehungskraft der Stadt auf jüngere Leute (es gibt recht viele junge IT-Rechtler*innen), aber auch spezifische, wie die Stärke der Berliner Praxen in vielen Feldern regulatorischer Beratung (hierunter fällt ja der Datenschutz) und die Zahl junger, innovativer Unternehmen. Insbesondere traditionelle westdeutsche Wirtschaftszentren werden aber weiterhin bevorzugte Standorte für die großen deutschen und internationalen Kanzleien bleiben. Schon deshalb werden auch sie von der weiterwachsenden Bedeutung des IT-Rechts profitieren.
Charlotte Albach: Die Marktanalysen stellen Sie laut eigener Aussage größtenteils aus eigens gesammelten und recherchierten Datensätzen aus den letzten Jahren zusammen. Wie läuft ein solcher Analyseprozess ab und wie kam die Idee dieser statistischen Untersuchung von Rechtsmärkten?
Stefan Grub: In der Großkanzleiwelt wird ja mit großem Eifer alles gemessen, analysiert und gesteuert. Als ich meine Tätigkeit begonnen habe, fiel mir auf, wieviel Informationen über die Tätigkeit von Wirtschaftsanwält*innen jeden Tag veröffentlicht wurden, ohne dass diese systematisch analysiert wurde. Andere Branchen – vom mir gut bekannten Einzelhandel bis zum Investment Banking – waren da weiter. Von da war es nur ein kleiner Schritt zur Entwicklung eines eigenen Datenmodells, das wir im Wesentlichen auch heute noch verwenden. Die wichtigste Informationsquelle sind die ständig erscheinenden Pressemitteilungen der Kanzleien, die wir systematisch in Datensätze umwandeln, in einer Datenbank speichern und dann mit den üblichen Werkzeugen auswerten, etwa mit Pivot-Tabellen oder in der Datenbank hinterlegten Standardberichten.
Charlotte Albach: Wie schätzen Sie nach Ihrer Marktanalyse des IT-Rechts das Verhältnis von Legal Needs der Mandant*innen und Angebot der Kanzleien ein? Ist in dieser Hinsicht eine Entwicklung der Stundensätze von IT-Rechtler*innen zu beobachten, gerade auch im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten wie z.B. dem IP-Recht? Gibt es hier große Unterschiede je nach Größe der Kanzleien?
Stefan Grub:Hier muss ich – als Statistiker – leider passen. Es wäre sicherlich faszinierend, wenn die Kanzleien Informationen zu Vergütung und – mathematisch sicherlich komplexer – Mandantenanforderungen teilen würden. Im Einzelhandel werden tatsächlich viele Daten auf einer neutralen Plattform gesammelt.
In Rahmen meiner Tätigkeit höre ich natürlich den einen oder anderen Hinweis auf die sehr große Spreizung der Honorare, die ja von den unterschiedlichsten Faktoren verursacht wird. Hier scheint mir im IT-Recht nicht grundsätzlich Anderes zu gelten als in anderen Rechtsbereichen. Ein reiches Unternehmen zahlt für ein dringliches, komplexes Mandat besser als ein notgedrungen preisbewusst handelndes Unternehmen für eine standardisierte Erledigung im normalen Geschäftsgang. Dabei profitieren die IT-Rechtler*innen mitunter von dem Umstand, dass sie häufig die Spezialisten für noch nicht Ausgeformtes und Neues sind.
Charlotte Albach: Auf Ihrer Homepage erwähnen Sie auch das persönliche Anliegen der Parität in juristischen Berufen. Im IT-Recht liegt der Anteil an weiblichen gemeldeten Berufsträgerinnen laut ihrer Marktanalyse 2022 mit 29 % im Durchschnitt des Gesamtmarktes, der Anteil an IT-Fachanwältinnen allerdings nur bei ca. 20 %. Gerade von einem vergleichbar jungen und modernen Fachbereich wie dem des IT-Rechts erwarte ich mir als angehende Juristin mehr. Wie kann es dem Fachbereich IT-Recht nach Ihrer Einschätzung gelingen, nicht nur durchschnittlich, sondern überdurchschnittlich viele Frauen für den Fachbereich zu gewinnen? Oder liegt das Problem vielleicht gar nicht im Fachbereich selbst, sondern im Studium?
Stefan Grub: Ich teile Ihre Erwartungen, und war von dem Ergebnis unserer Analyse zuerst auch überrascht – zumal keine unserer Zahlen nahelegt, dass sich hier schnell etwas ändert.
Hier mag, wie bei den MINT-Fächern, eine Ursache in den sozialen Erwartungen an Kinder und junge Leute liegen. Nicht wenige IT-Rechtler*innen sind ja über die Begeisterung für bestimmte Felder der digitalen Welt zum IT-Recht gekommen. Meine Töchter hatten in ihrer (sehr guten) Schule auch mehr als einmal den Eindruck, dass man ihnen Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften erst einmal nicht so zutraute wie den männlichen Klassenkameraden. Später kann auch die Seite der Mandanten eine Rolle spielen – es wurde z.B. ja viel über das Gender-Problem der Technologiebranche gesprochen, das natürlich auch in das weitere Umfeld ausstrahlt.
Ganz interessant mag der Vergleich mit anderen Rechtsgebieten sein. IT-Recht ist zwar jünger als viele Rechtsgebiete, war aber zu der Zeit vor und um 2000, als sich die wirtschaftsberatenden Kanzleien in Deutschland in der jetzigen Form etablierten, bereits fester Teil des Beratungsangebots. Große Teile der Finanzierungsberatung haben sich hingegen erst später und nicht aus bestehenden Strukturen entwickelt. Hier liegt der Anteil von erfahrenen Partnerinnen spürbar höher, und die von ihnen geleiteten Teams ziehen wiederum überdurchschnittlich viele jüngere Frauen an. Hier sehen wir auch den stärksten Hebel, unabhängig von dem, was wir uns als Wirklichkeit wünschen: Sichtbare Beispiele, dass man es schaffen kann, ziehen mehr als jede bunte Broschüre.
Charlotte Albach: Zuletzt noch zu etwas Erfreulichem: Ihrer Analyse zum IT-Recht 2022 gaben Sie den Titel “IT-Recht im Aufschwung”. Wie hebt sich das IT-Recht positiv von anderen Fachbereichen ab, was macht es zu einem Fachbereich von großer Relevanz in der Zukunft?
Stefan Grub: Die Digitalisierung hat ja in vielen Bereichen gerade erst begonnen. Insofern muss man sich schon um das schiere Volumen der Beratung keine Sorgen machen.
Besonders interessant ist natürlich die inhaltliche Dynamik: um 2000 war – man kann sich das kaum mehr vorstellen – die Sicherung von Internetdomains ein wichtiges Thema. Seitdem sind in vielen Wellen neue Technologien und die damit verbundenen gesellschaftlichen Fragestellungen Gegenstand der Beratung geworden. So wird es sicher auch bleiben: IT-Rechtler*innen sind die Jurist*innen, die sich als Erste und wahrscheinlich am intensivsten und vielfältigsten mit Innovation auseinandersetzen.
Charlotte Albach: Abschließend ein Ausblick auf die Veranstaltung: Auf dem diesjährigen Deutschen IT-Rechtstag werden Sie einen Vortrag unter dem Titel “IT-Rechtsanwälte/-innen im Spiegel der Daten – Analyse des Fachgebiets mit Mitteln der Statistik” halten. Ihre spannenden Antworten geben bereits Grund zur Vorfreude darauf. Gibt es für Sie einen Vortrag, auf den Sie sich besonders freuen?
Stefan Grub: Ich finde das ganze Programm sehr anregend und habe keine Favoriten. Als Personalberater werde ich aber sehr genau bei dem Vortrag von Joerg Heidrich zur Löschung von Daten zuhören… Hier möchten wir natürlich alles richtigmachen und sehen uns besonders in der Pflicht.
Charlotte Albach: Herr Grub, Vielen Dank für die interessanten Antworten und bis bald auf dem IT-Rechtstag 2023!
Stefan Grub, Cogens Executive Search, Frankfurt a. M.
Charlotte Albach, HK2 Rechtsanwälte