Die EVB-IT sollen die Vertragsgestaltung der öffentlichen Hand und auch deren Einbeziehung in Vergabeverfahren unterstützen sowie die Akzeptanz dieser Verträge durch die IT-Wirtschaft fördern.
Interview mit Frau Rechtsanwältin Elke Bischof
Kerstin Zimmermann: Frau Bischof, auf dem 10. Deutschen IT-Rechtstag referieren Sie zum Thema: „Die EVB-IT Cloud – Anwendung, Besonderheiten und Herausforderungen.“ Was sind EVB-IT Verträge? Wie ist dieses System aufgebaut? Wem nutzen die Verträge?
Elke Bischof: Die EVB-IT sind ein vertragsrechtlicher Rahmen bei IT-Beschaffungen der öffentlichen Hand und eine Hilfestellung für die Festlegung von Leistungsanforderungen. Eine veröffentlichte Entscheidungshilfe unterstützt bei der Auswahl des richtigen Vertragstyps. Generell wird zwischen den Basis-EVB-IT (Kauf / Instandhaltung von Hardware, Überlassung von Software Typ A (Kauf) und Typ B (Miete), Pflege S, Dienstleistung und Cloud) und den System EVB-IT (System, Erstellung, Systemlieferung und Service); es gibt also insgesamt 11 verschiedene EVB-IT Typen. Zudem noch 2 gültige BVB (Kauf von Hardware, Planung), die noch abgelöst werden sollen. Aufgebaut sind die EVB-IT nach folgendem einheitlichen Prinzip: EVB-IT Vertrag, einbezogene EVB-IT AGB sowie einem oder mehreren Mustern (z. B. einem Leistungsnachweis, einer Nutzungsrechtsmatrix). Hinzukommen noch bei den meisten Vertragstypen Nutzerhinweise (nicht Vertragsbestandteil, sondern Erläuterungen zur Anwendung) und bei einigen Vertragstypen auch Anwendungsbeispiele.
Die EVB-IT (die auf Bundesebene verpflichtend sind, auf Landesebene und kommunaler Ebene zum Teil auch, teils gibt es auch nur eine Anwendungsempfehlung) sollen die Vertragsgestaltung der öffentlichen Hand und auch deren Einbeziehung in Vergabeverfahren unterstützen sowie die Akzeptanz dieser Verträge durch die IT-Wirtschaft fördern.
Kerstin Zimmermann: Die EVB-IT Verträge sind Muster und müssen für die vorgesehene Verwendung angepasst werden. Inwieweit machen das die Parteien selbst ohne begleitende juristische Expertise? Was würden Sie aus Ihrer beruflichen Praxis heraus sagen, bei welchen Inhalten besteht am ehesten rechtlicher Beratungsbedarf?
Elke Bischof: Bei Durchführung von Vergabeverfahren sind EVB-IT Verträge Bestandteil der vom Auftraggeber zu erstellenden Vergabeunterlagen und werden daher regelmäßig vom Auftraggeber vorausgefüllt. Dies erfolgt teils durch die Vergabestellen/ Mitarbeiter des Auftraggebers selbst, teils auch durch beauftragte Rechtsanwälte, die die Auftraggeber im Vergabeverfahren unterstützen. Auf Seiten der Bieter wird die Prüfung der EVB-IT und – soweit vergaberechtlich zulässig – der Vorschlag von Änderungswünschen an den EVB-IT ebenfalls unterschiedlich gehandhabt (Vertrieb, Rechtsabteilungen oder auch beratende Rechtsanwälte, teils auch im Team).
Die Vertragswerke (insbesondere EVB-IT Cloud und die System EVB-IT) sind komplex, so dass es sich auf beiden Seiten lohnt, Fachexpertise von Juristen/ Rechtsanwälten in Anspruch zu nehmen und zwar für den ganzen Vertrag und nicht nur einzelne Inhalte.
Kerstin Zimmermann: Und nun speziell zu den EVB-IT Cloud: Was ist das Besondere an den EVB-IT Cloud und für wie gelungen halten Sie diese? Die Interessen welcher Partei werden mit dem Muster womöglich besser getroffen?
Elke Bischof: Das neue Vertragswerk soll die bisherige Lücke schließen, da es bislang kein Vertragsmuster für „Cloud-Leistungen“ gab und sich die Praxis mit der umfangreichen Überarbeitung bestehender EVB-IT Vertragsmuster oder eigener Verträge helfen musste. Die EVB-IT Cloud sind – wie gesagt – komplex, was im Hinblick auf die vereinbarten Vertragsgegenstände wohl auch nicht vermeidbar ist. Die Herstellung der notwendigen Transparenz der Regelungsinhalte für alle Beteiligten stellt eine Herausforderung in der Praxis dar, insbesondere vor dem Hintergrund vielfältiger Einbeziehungsmöglichkeiten diverser Regelungen. So können auftragnehmerseitige AGB einbezogen werden, zwar grundsätzlich nachrangig, jedoch ausnahmsweise in Bezug auf einzelne Regelungen zu Art und Umfang von Cloudleistungen auch vorrangig. Dies wird mithilfe der Anlage zur Einbeziehung von auftragnehmerseitigen AGB und der Anlage Kriterienkatalog für Cloud-Leistungen geregelt. Wie aus den Verhandlungen zu erfahren war, stellt dies einen einmaligen Kompromiss im Rahmen der EVB-IT aufgrund der Besonderheiten des Cloud-Markts dar, in dem insb. die sog. Hyperscaler den Ton angeben und daher nicht an allen Stellen die ggf. gewünschte Flexibilität erreicht werden konnte. Wie stets stellen auch die EVB-IT Cloud einen Kompromiss zwischen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft dar. Es wird sich erst noch zeigen, wie sich die EVB-IT Cloud in der Praxis bewähren.
Kerstin Zimmermann: Wie ist der Entstehungsprozess eines neuen EVB-IT Vertrags? Wer ist daran beteiligt? Inwieweit ist dieser Prozess öffentlich transparent gestaltet?
Elke Bischof: Seit 1972 wurden sieben Vertragstypen der “Besonderen Vertragsbedingungen für die Beschaffung von DV-Leistungen (BVB)” als Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand bei der Beschaffung von Datenverarbeitungsanlagen und -geräten eingeführt. Seit 1998 entwickelt eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat neue Vertragstypen, die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT), und passt diese laufend an die sich ändernden technischen und rechtlichen Anforderungen an. Die EVB-IT haben zwischenzeitlich weitgehend die BVB abgelöst. Die EVB-IT werden, wie auch bereits die BVB, mit den Interessenverbänden der IT-Wirtschaft (gegenwärtig dem Bitkom) verhandelt und einvernehmlich veröffentlicht. Der Verhandlungsprozess selbst ist nicht öffentlich.
Kerstin Zimmermann: Sie sind auf Informationstechnologierecht und Vergaberecht spezialisiert, wie oder durch was kamen Sie zum Interesse dieser Spezialisierung?
Elke Bischof: Informationstechnologie hat mich schon immer interessiert, ebenso Vergaberecht aufgrund meiner früheren Tätigkeit bei den Justizbehörden in München. Die Spezialisierung auf beide Bereiche war für mich sozusagen die logische Konsequenz meiner Tätigkeiten und Interessen.
Kerstin Zimmermann: Ich bin noch Studentin der Rechtswissenschaften. Gibt es Tipps oder Anregungen, die Sie uns Studentinnen und Studenten nach Ihrer 20-jährigen Berufserfahrung geben können?
Elke Bischof: Nutzen Sie die Angebote in Studium und Referendarzeit, um alle denkbaren Tätigkeitsgebiete (Anwaltschaft, Unternehmen, öffentlicher Dienst) kennenzulernen und auch die Möglichkeit durch Auslandsaufenthalte Einblicke in die dortige juristische Arbeit zu gewinnen. Auf diese Weise fällt Ihnen die spätere Berufswahl wohl leichter.
Kerstin Zimmermann: Zu guter Letzt ein Blick auf den IT-Rechtstag 2023: Auf welchen Vortrag und/oder Themen freuen Sie sich am meisten? Und können Sie uns bitte einen kleinen Vorgeschmack auf Ihren Vortrag geben?
Elke Bischof: Ich freue mich auf alle Themen der spannenden Veranstaltung und zu meinem eigenen Vortrag: Lassen Sie sich überraschen – ich freue mich über eine zahlreiche Teilnahme.
Kerstin Zimmermann: Vielen Dank für das Interview und Ihre Zeit.
Elke Bischof, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Informationstechnologierecht, MAYBURG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
Kerstin Zimmermann, Studentische Hilfskraft, HK2 Rechtsanwälte